Das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs und zum Abbau von Bürokratie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge soll die Masse an Kriterien im Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen und mit Aspekten des Produktionsprozesses reduzieren. Auch soll eine Anpassung der bestehenden Vergabefreigrenzen an die preisliche Entwicklung durchgeführt werden.
Die Digitalisierung des Vergabeprozesses und Verkürzung der Zahlungsfristen soll den gesamten Vergabeprozess schlanker und unbürokratischer gestalten.
Das ganze Gesetz finden Sie hier: Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs und zum Abbau von Bürokratie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
Der Landtag wolle das folgende Gesetz beschließen:
Gesetz
zur Stärkung des Wettbewerbs und zum Abbau von Bürokratie bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
Artikel 1
Gesetz zur Änderung des Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetzes
1. Die Inaltsübersicht wird wie folgt geändert:
0. a) Die Angabe zu § 3 wird wie folgt gefasst:
„§ 3 aufgehoben“
1. b) Nach der Angabe zu § 10 wird Folgends eingefügt:
„§ 10a Elektronisches Vergabeverfahren“
2. § 1 wird wie folgt geändert:
0. a) Abs. 5 wird wie folgt gefasst:
„(5) Der Schwellenwert für Aufträge, ab welchem die Vergabeverfahren von die- sem Gesetz erfasst werden, beträgt 20 000 Euro ohne Umsatzsteuer. Werden die Schwellenwerte für die Vergabe von Aufträgen nach § 100 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. März 2020 (BGBl. I S. 674), erreicht oder überschritten, finden § 10 Abs. 1 bis 6, § 11 Abs. 2 und 3 sowie die §§ 15 und 20 keine Anwendung.“
1. b) Abs. 6 wird wie folgt gefasst:
„(6) Liegt der Schwellenwert eines Auftrags unterhalb von 20 000 Euro, sind die in den §§ 4 und 6 genannten Verpflichtungen bezüglich Tariftreue und Mindestlohn einzuhalten. Auf die entsprechenden Nachweise kann verzichtet werden. Die Vergabe und Ausführung öffentlicher Aufträge unterhalb von 20 000 Euro können unbeschadet des Haushaltsrechtes durch Verwaltungsvorschrift gesondert geregelt werden.“
3. § 2 wird wie folgt geändert:
Abs. 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Bei den Beschaffungen des Landes sind grundsätzlich die Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung in Bezug auf den Beschaffungsgegenstand und dessen Auswirkungen auf das ökologische, soziale und wirtschaftliche Gefüge zu berücksichtigen. Das Ausschreibungsver- fahren ist auch in durchgängig digitaler Form für den Unternehmer anzubieten. Die Gemein- den und Gemeindeverbände und ihre Eigenbetriebe können eine nachhaltige Entwicklung bei ihren Beschaffungsmaßnahmen und die dazu erlassenen Richtlinien berücksichtigen.“
4. § 3 wird aufgehoben.
5. Nach § 10 wird als neuer § 10a eingefügt:
„§ 10a Elektronisches Vergabeverfahren
(1) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Verga- beverfahren bietet der Auftraggeber Unternehmen grundsätzlich die Möglichkeit eines vollständig elektronischen Verfahrens.
(2) Den Unternehmen ist die Nutzung des rein elektronischen Vergabeprozesses freige- stellt. Eine nicht elektronische Beteiligung am Vergabeverfahren rechtfertigt keine Diskri- minierung oder Nichtberücksichtigung gegenüber anderen Bewerbern.
(3) Das für das öffentliche Auftragswesen zuständige Ministerium erarbeitet im Einver- nehmen mit dem für das Haushaltswesen zuständigen Ministerium und dem für kommunale Angelegenheiten zuständigen Ministerium sowie dem für digitale Angelegenheiten zustän- digen Ministerium einheitliche digitale Muster und Prozesse für vollständig elektronische Vergabeverfahren.“
6. § 15 wird wie folgt geändert:
Abs. 3 wird wie folgt gefasst:
„(3) Bei der Vergabe eines Auftrags ab einem Auftragswert von 30 000 Euro ohne Um- satzsteuer gibt der öffentliche Auftraggeber oder Besteller bei Beschränkten Ausschreibun- gen ohne Interessenbekundungsverfahren und bei Freihändigen Vergaben ohne Interessen- bekundungsverfahren für drei Monate seinen Namen und Anschrift, den Namen des Auf- tragnehmers, den Auftragsgegenstand und bei Bauleistungen den Ort der Ausführung in der HAD bekannt. Dies gilt nicht bei Vergabeverfahren, die der Geheimhaltung unterlie- gen. Soweit es sich bei dem beauftragten Unternehmen um eine natürliche Person handelt, ist deren Einwilligung einzuholen oder die Angabe des Namens zu anonymisieren.“
7. § 19 wird wie folgt geändert: Abs. 1 wird wie folgt gefasst:
„(1) Fällige Zahlungen sind unverzüglich, spätestens 14 Kalendertage nach Zugang der prüffähigen Rechnung auszuführen.“
Artikel 2 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
A. Allgemeiner Teil
Vergabeverfahren der öffentlichen Hand berücksichtigen oftmals nicht ausreichend die besonde- ren Bedingungen, unter denen sich mittelständische Unternehmen beteiligen dürfen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass diese, insbesondere das Handwerk, kleinere Planungsbüros sowie der ört- liche Handel das für sie geltende Recht einschließlich des Tarifvertragsrechts in seiner Komple- xität ebenso zu beachten haben wie große Unternehmen mit eigenen juristischen Stabsstellen.
Vergabefreigrenzen entlasten und vereinfachen die Vergabeschäfte vor allem für mittelständische Unternehmen, die bei Beschränkter Ausschreibung und Freihändiger Vergabe unmittelbar zur Beteiligung angesprochen werden und damit geringeren Aufwand als bei öffentlichen Ausschrei- bungen und gleichzeitig bessere Chancen auf den Zuschlag haben.
Gerade in konjunkturellen Krisenzeiten, wie sie sich nun im Rahmen der Corona-Pandemie ab- zeichnen, sind vereinfachte Vergaben und insbesondere die Erhöhung der Freigrenzen ein proba- tes Mittel der Beschleunigung und Entbürokratisierung.
B. Im Einzelnen Zu Art. 1 Nr. 1
Das Gesetz gilt für Aufträge ab einem Schwellenwert von 20.000 €. Dieser berechnet sich je Auftragswert (Vertrag) nach § 2 Abs. 5 des Gesetzes. Grundlage der Freigrenze ist einerseits der wirtschaftliche Vorteil der Auftragsvergaben, die besonders mittelständische Unternehmen an- sprechen, und andererseits der Aufwand der Beschaffungsstellen. Aufträge bis zu 20.€ Euro spre- chen in der Regel hauptsächlich nur mittelständische Unternehmen an.
Zu Art. 1 Nr. 2
Die Möglichkeit von Unternehmen, den gesamten Vergabeprozess auch digital durchlaufen zu können, kann Kosten verringern und Bürokratie abbauen. Der fortschreitenden Digitalisierung der Verwaltung wird hierbei Rechnung getragen. Unternehmen sollen aber auch weiterhin in der herkömmlichen Variante Angebote abgeben können, wenn sie diesen Weg bevorzugen. So ent- stehen keine unüberwindbaren Hürden für kleine Unternehmen.
Zu Art. 1 Nr. 3
Vergabefremde Kriterien wie die im bisherigen § 3 aufgezählten sozialen und ökologischen An- forderungen verteuern den Vergabeprozess und verursachen zusätzliche Bürokratie. Politische Ziele der Sozial- und Umweltpolitik sollten nicht durch die Vergabe umgesetzt werden, sondern es obliegt dem Gesetzgeber, anderweitig gesetzgeberisch tätig zu werden. Darüber hinaus ist die bisherige Regelung freiwillig anzuwenden und die dazugehörige Aufzählung in Abs. 2 beispiel- haft. Vor dem Hintergrund, dass § 2 Abs. 2 dem Land ohnehin eine Pflicht zur Berücksichtigung der Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung in Bezug auf den Beschaffungsgegenstand und dessen Auswirkungen auf das ökologische, soziale und wirtschaftliche Gefüge vorschreibt und den Ge- meinden und Gemeindeverbänden erlaubt, eine nachhaltige Entwicklung bei ihren Beschaffungs- maßnahmen und den zu erlassenen Richtlinien zu berücksichtigen, ist § 3 überflüssig, was sich im Übrigen auch durch die geringe Häufigkeit der Anwendung zeigt.
Zu Art. 1 Nr. 4
Durch die Einfügung eines neuen Paragrafen sollen zusätzlich zum bisherigen Verfahren auch durch- gängig elektronische Vergabeverfahren ermöglicht und so einen Beitrag zur Digitalisierung der öf- fentlichen Verwaltung und damit der Entbürokratisierung der Vergabeverfahren geleistet werden. Dabei soll ein elektronisches Verfahren zusätzlich angeboten werden, ohne Unternehmen auszuschlie- ßen, die wegen unzureichender Rahmenbedingungen in digital schwach strukturierten Regionen nur bedingt die Möglichkeit haben, diese Verfahren auch mit vertretbarem Aufwand zu nutzen.
Zu Art. 1 Nr. 5
Die Neuregelung in § 15 Abs. 3 soll die Ex-Post-Transparenz von Freihändigen Vergaben und Beschränkten Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb sicherstellen. Unter Abwägung der Interessen der Auftraggeber und Bieter, insbesondere des Aufwands und der Transparenz, wurde im Hinblick auf die Anhebung der Schwellenwerte in § 1 ein Auftragswert von 30.000 € als Auslösewert für die Veröffentlichungsfrist neu festgelegt.
Zu Art. 1 Nr. 6
Die Vorschrift regelt die Zahlung des Auftraggebers, insbesondere deren Fälligkeit. Da sie primär dem Schutz der Auftragnehmer und insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen dient, ist auch mit Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung im Zahlungsverkehr und in der Zahl- barmachung eine Verkürzung der Zahlungsfristen angezeigt.
Zu Art. 2
Art. 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Angesichts der konjunkturellen Lage duldet das In- krafttreten keinen weiteren Aufschub, da jede Form der Entlastung hilfreich ist.
1. Problem
Der hessische Gesetzgeber hat 2014 ein neues Hessisches Vergabe- und Tariftreuegesetz geschaffen, das zum 1. März 2015 in Kraft getreten ist. Dabei wurden auch vergabe- fremde, soziale und ökologische Kriterien in der Produktion und bei der Bereitstellung von Dienstleistungen in die Vergabe öffentlicher Aufträge mit aufgenommen. Der öffentlichen Auftragsvergabe kommt eine besondere Rolle in der Wirtschaftspolitik zu: Sie ist ein wichtiges Instrument der Mittelstandsförderung und soll Wettbewerb um die wirtschaftlich beste Leistung über Qualität und Innovation fördern und unterstützen. Ge- rade in konjunkturellen Krisenzeiten, die nun durch die Corona-Pandemie hervorgerufen wurden, sind die öffentlichen Aufträge Stützpfeiler einer konjunkturellen Stabilisierung und Erholung. Es ist daher dringend geboten, bürokratische Hürden abzusenken und Vergabeverfahren entsprechend zu vereinfachen. Öffentliche Aufträge sind für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) ein wichtiger Teil des Umsatzes, so werden mehr als die Hälfte der oberhalb der EU Stellenwerte angesiedelten Verträge an KMU vergeben. Die öffentliche Auftragsvergabe muss sich zukünftig stärker an den Möglichkeiten der KMU orientieren. Dies betrifft insbesondere den allgemeinen Verwaltungsaufwand sowie alle geforderten Nachweispflichten. Um einen fairen und transparenten Wettbewerb zu ermöglich, soll der Ausschreibungswettbewerb so ausgestaltet werden, dass KMU durch überbordende Nachweispflichten und politische Vorgaben im Ausschreibungswettbewerb nicht aus dem Markt gedrängt werden.
2. Lösung
Das bestehende Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz wird dahin gehend geändert, dass Regelungen, die sich in der Praxis nicht bewährt haben oder keine praktische Regelungs- wirkung entfalten konnten, wieder gestrichen werden, Vergabegrenzen auf die aktuelle Entwicklung angepasst werden und Nachweispflichten und Verwaltungsaufwand zuguns- ten von KMU gesenkt werden.
Kernpunkte der Änderung sind:
o – Die zusätzliche Möglichkeit, soziale und ökologische Kriterien zu berücksichtigen, soweit sie im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand oder mit Aspekten des Produktionsprozesses stehen werden gestrichen.
o – Die bestehenden Vergabefreigrenzen werden an die allgemeine preisliche Entwick- lung angepasst und damit erhöht.
o – Der Vergabeprozess wird digitalisiert.
o – Die Zahlungsfristen werden deutlich verkürzt.
3. Befristung
Keine.
4. Alternativen
Beibehaltung des derzeitigen Rechtszustandes und Verzicht auf eine Weiterentwicklung zulasten der mittelständisch geprägten hessischen Wirtschaft.
5. Finanzielle Auswirkungen
Der Wegfall von zusätzlichen Anforderungen und Komplikationen bei der Auftragsvergabe führt zu Kosteneinsparungen bei kleinen und mittelständischen Unternehmen.
6. Unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Chancengleichheit von Frauen und Männern
Keine.
7. Besondere Auswirkungen auf behinderte Menschen
Keine.
Debatte im Hessischen Landtag:
- Lesung
2. Lesung